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Presse

Seit fünf Jahren gibt es in Kirchzarten einen Bürgerbus

Von Kathrin Blum, erschienen in der Badischen Zeitung am 2. April 2022


In fünf Jahren hat der Dreisam-Stromer sechs Mal die Erde umrundet und rund 37400 Gäste chauffiert – genug, um einmal das neue SC-Stadion zu füllen. Ab Mai fährt er nach neuem Fahrplan.

Die Pandemie bremste den Bürgerbus zwar etwas aus, konnte das ambitionierte Projekt aber nicht stoppen. Die Verantwortlichen hoffen, dass das kostenlose Angebot nach der Pandemie noch besser angenommen wird. Dafür soll auch der neue Fahrplan sorgen: Von Mai an werden weitere Orte bedient.


Der Motor


„Es ist manchmal wie in einem Arztwartezimmer – oder beim Frisör: Manche schütten ihr Herz aus“, beschreibt Stefan Saumer die Gespräche im Bürgerbus. Der Kirchzartener hat das Projekt initiiert, steht dem Trägerverein vor und sitzt regelmäßig selbst am Steuer des Kleinbusses, der Platz für bis zu acht Fahrgäste bietet. Saumer findet: „Es gibt wenige Ehrenämter, bei denen einem so unmittelbar Wertschätzung entgegengebracht wird.“ Viele Mitfahrende bedankten sich für das Angebot. Neben warmen Worten gibt es ihm zufolge gelegentlich eine Flasche Sekt, eine Tafel Schokolade oder eine Spende für die Kasse.

Kein Wunder, bei so viel Service: „So manches Mal gibt’s kleine Extras“, verrät Saumer. Etwa einen Schlenker zum Oskar-Saier-Haus für einen Rollstuhlfahrer oder in eine Seitenstraße, wenn die Einkaufstaschen besonders schwer sind. "Wir werden zwar im elektronischen Fahrplan aufgeführt, sind aber nicht Teil des Regio Verkehrsverbunds Freiburg und können uns auch mal einen kleinen Umweg erlauben."

Einige Begegnungen bleiben Saumer im Erinnerung. So erzählt er von einer Frau aus Breisach, die mit dem Zug nach Kirchzarten kam, sich in den Dreisam-Stromer setzte und zwei Stunden lang alle Touren mitfuhr – ohne Grund, „einfach nur, um die Gegend anzugucken“. Er selbst genieße das auch: „Den Dreisam-Stromer zu fahren macht einfach Spaß, es hat fast etwas Meditatives, die Landschaft zu genießen und viel vom Ort zu sehen.“

Saumer lobt die Zusammenarbeit mit der Kirchzartener Firma Hummel, „von der wir ein Rundumsorglos-Paket bekommen“. Fällt der Dreisam-Stromer aus, sorgt das Busunternehmen für Ersatz. „Das klappt prima.“ Auch um Reinigung, Service, Tanken und die Versicherung kümmere sich Hummel.



Die Fahrerinnen und Fahrer

Christoph Kranich fährt gerne Auto – besitzt aber keines. Das ist einer der Gründe, warum er regelmäßig am Steuer des Dreisam-Stromers sitzt. Der Rentner kam vor gut zwei Jahren von Hamburg nach Freiburg und suchte nach „sinnvollen Ehrenämtern“, wie er sagt. Er mag das Dreisamtal mit seiner Mischung aus Ebene und Bergen und möchte die „dringend notwendige Verkehrswende auch in ländlicheren Gebieten unterstützen“. So kam es, dass er seine Dienste als Fahrer anbot. In Freiburg chauffiert er außerdem als Rikscha-Fahrer ältere Menschen durch die Stadt.

Kranich sieht in diesen beiden Ehrenämtern „eine Art Vorgriff auf eine Zukunft, die ich mir wünsche: Wenn einmal alle Menschen dafür bezahlt werden, dass sie existieren – wie ich als Rentner –, und tun können, was sie sinnvoll und wichtig finden“.

Die Fahrgäste erlebt Kranich „fast alle“ als überaus dankbar. Meist seien es Menschen, die kein Auto mehr haben oder nie eines hatten. „Leider sind es nur wenige, die das Auto in der Garage lassen.“

Die Verkehrswende ist auch ein Anliegen von Ulrich Martin Drescher, der regelmäßig am Steuer des Kleinbusses, für den ein normaler Führerschein ausreicht, sitzt. Er hofft, dass der Dreisam-Stromer durch Verkehrsberuhigung, Vorrang für Fuß- und Radverkehr sowie eine „angemessene Bepreisung der öffentlichen Stellplätze im Innerort“ (noch) wirksamer wird. Drescher war von Anfang an dabei und erzählt: „Bei meiner Bürgermeister-Kandidatur im Jahr 2000 hatte ich einen Rundbus im Dreisamtal im Programm, damals noch eine revolutionäre Forderung.“

Für ihn als Gemeinderat sei es interessant, als Fahrer Entwicklungen im Ort mitzubekommen und mit Bürgern im Gespräch zu sein. Drescher lobt Kollegialität und Zusammenhalt unter den Fahrern. „So ist der Dreisam-Stromer nicht nur ökologisch sinnvoll, sondern auch sinnstiftend für die ehrenamtlich Tätigen.“

Annette Frank fährt den Bürgerbus seit Herbst. „Ich hab’ in einer Anzeige gelesen, dass der Dreisam-Stromer Fahrer sucht und dachte mir: Ich fahre ja gerne und ganz gut und kann auch ein Wohnmobil steuern, ich traue mir das zu.“ Die 62-Jährige arbeitet vormittags als Lehrerin am Kolleg in Stegen – und nachmittags gelegentlich ehrenamtlich als Busfahrerin. Sie freut sich, so als Stegenerin mitzubekommen, „was in Kirchzarten läuft“ – und immer wieder über Begegnungen, die sie berühren.

„Es gibt eine ältere Dame, die regelmäßig vom Oskar-Saier-Haus zum Friedhof am Giersberg fährt, für sie ist das Angebot ideal, müsste sie doch andernfalls ein Taxi für diese Strecke nehmen.“ Für den Schlenker, den sie einer Mitfahrerin zuliebe gemacht hat, damit diese nicht allzu weit nach Hause laufen muss, bekam sie Gebäck als Dankeschön. „Ich bin immer wieder gerührt, wie dankbar die Leute sind.” Voller Überzeugung sagt sie: „Ich bin mit ganzem Herzen dabei.“ Begeistert ist Frank nicht nur von ihrer ehrenamtlichen Aufgabe, sondern auch vom Einsatz Stefan Saumers. „Da steckt sehr viel Engagement dahinter.“ Auch Drescher lobt Saumers Initiative.

Die Fahrgäste


Als „bunten Mix“ bezeichnet Stefan Saumer die Fahrgäste. Darunter seien Dreisamtäler, die nie ein Auto hatten, genauso wie Gelegenheitsnutzer, die auf den Bürgerbus umsteigen, wenn sie gerade nicht Auto fahren können. Aus Kirchzartener Ortsteilen nutzen einige den Bürgerbus, um Einkaufstouren im Kernort zu machen. Es gibt ältere Fahrgäste, die sich freuen, durch den Dreisam-Stromer mobil zu sein und jüngere, die mit dem Bus ins Fußballtraining fahren – oder auch von der Schule nach Hause. 50 bis 60 Dreisamtäler zählt Saumer zu den Stammgästen. „Viele von ihnen kennen wir mit Namen.“ Man arbeite daran, sagt Saumer, dass es noch viele mehr werden.

Ulrich Martin Drescher weiß von einer Dame, die dank des Dreisam-Stromers ihr Auto verkauft hat und er erzählt von ausländischen Pflegekräften oder Haushaltshilfen, die die Vorteile des Bürgerbusses erkannt hätten und mehrfach täglich mitführen. Rege genutzt wird der Bus derzeit auch von ukrainischen Flüchtlingen, die in Wagensteig untergebracht sind. Dorthin fährt der Dreisam-Stromer als „Sie schicken dann via Google übersetzte SMS mit der Bitte um Mitfahrt und wir holen sie ab“, sagt Saumer.


Zahlen, Daten, Fakten


In fünf Jahren hat der Dreisam-Stromer sechs Mal die Erde umrundet, rechnet Saumer vor. Mitgefahren sind rund 37 400 Gäste – „so viele, dass wir einmal das Europa-Park-Stadion füllen könnten“. Die Fahrerinnen und Fahrer saßen mehr als zehntausend Stunden hinter dem Steuer. Durchschnittlich sind 22 Fahrgäste täglich mit dem Dreisam-Stromer unterwegs – „mal ist es nur einer, mal sind es 35“. Ob das nun viel oder wenig ist, vermag Saumer nicht einzuschätzen, aber: „Andere Bürgerbusse haben vergleichbare Zahlen.“

30 Männer und Frauen übernehmen die Fahrdienste – in unterschiedlichem Umfang. „Jeder bringt sich so ein, wie er kann und möchte.“ Als es im vergangenen Jahr zwischenzeitlich eng wurde und die Verantwortlichen eine Werbeinitiative starteten, meldeten sich Saumer zufolge zehn neue Fahrer – mit ganz unterschiedlicher Motivation. „Einer übernimmt Dienste, damit er zu Hause nicht stört – er hat gesagt, dass seine Frau froh ist, wenn er einen Tag in der Woche aus dem Haus ist“, verrät Saumer lachend.

Der Bus fährt werktags zwischen 8.45 und 17.45 Uhr Uhr sowie samstags am Vormittag – noch im April. Nach der Fahrplanänderung startet er eine Viertelstunde später und fährt freitagnachmittags aufgrund geringen Interesses nicht mehr.

Finanziert wird das für Nutzer kostenlose Angebot durch Spenden, Werbung sowie Zuschüsse der Gemeinden Kirchzarten, Stegen und Buchenbach, die jährlich je 4000 Euro beisteuern. Neue Sponsoren sind Saumer zufolge willkommen – und wichtig, da die steigenden Energiekosten natürlich auch den Dreisam-Stromer treffen.

Blick in die Zukunft


Ein Ziel Saumers ist es, langfristig auch Oberried an den Bürgerbus anzubinden. Außerdem wünscht er sich, dass der Dreisam-Stromer irgendwann auch tatsächlich mit Strom fährt. „Viele glauben ja aufgrund des Namens, dass er das schon tut und eigentlich war das auch die Idee dahinter, allerdings lässt sich ein Elektrobus nicht finanzieren und auch die Reichweite würde Probleme machen.“

Der Name ist trotzdem geblieben – erstens, weil er ja auch zum „Herumstromern“ passe und zweitens, weil nicht ausgeschlossen sei, dass der Kirchzartener Bürgerbus eines Tages tatsächlich mit Strom fahren wird.


So ist der Dreisam-Stromer-Verein organisiert


Vorstand

Stefan Saumer (Vorsitzender)

Karin Grohmann (Stellvertretende Vorsitzende)

Hannelore Schult (Kassenwartin)
Klaus Reinholz (kommissarischer Kassenwart)


Besitzer:innen

Elisabeth Haut

Matthias Reinbold

Margot Rezabek
Bernd Scherer


Kassenprüfer

Michael Kugel

Wolfgang Würmle


Vertreter der Gemeinde

Oliver Trenkle

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